Dr.Rainer Koch
Dr. Rainer Koch wurde am 18. Dezember 1958 in Kiel geboren. Seit 1964 lebt er in Poing bei München, er ist verheiratet und Vater einer Tochter. Als Richter ist er am Oberlandesgericht München beschäftigt. Seit November 2004 ist Dr. Koch Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes und seit 1990 in der Sportgerichtsbarkeit des DFB tätig. Als Vorsitzender des DFB-Sportgerichts (1998 bis 2007) trug Dr. Koch 2006 wesentlich zur Aufklärung im „Fall Hoyzer“ bei. Er gehörte von Juli 2002 bis Juni 2011 der UEFA-Disziplinarkommission an und ist seit 2007 DFB-Vizepräsident für „Recht und Satzungsfragen“. Koch pfiff als Amateur-Schiedsrichter Spiele der Bayernliga und erwarb 1982 die Trainer-B-Lizenz. Als A-Juniorentrainer stand Dr. Rainer Koch von 1987 bis 1990 für den FC Falke Markt Schwaben an der Seitenlinie.
Fußball und Ehrenamt – eine nachhaltige Verbindung
Interview mit Dr. Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes, Präsident des Süddeutschen Fußball-Verbandes und DFB-Vizepräsident
Ohne ehrenamtlich Engagierte wäre die Gesellschaft ärmer, weil sie zu einer sinnstiftenden Gestaltung beizutragen und es so manches soziale Angebot gar nicht gäbe. Mehr als 23 Millionen Menschen in Deutschland setzen sich laut Angaben des Deutschen Engagementpreises für das Gemeinwohl ein. Viele von ihnen möchten das, was sie von der Gesellschaft erhalten haben, auch an sie zurückgeben. Es geht ihnen um ein tätiges, selbstverantwortliches und sozial erfülltes Leben.
Weshalb
braucht es für ein gelungenes soziales Engagement im Fußball Langfristorientierung und Zukunftsfähigkeit?
Dr. Rainer Koch: Soziales Engagement
ist nur dann erfolgreich, nachhaltig und glaubwürdig, wenn es langfristig
ausgerichtet ist. Wir bekennen uns sowohl beim DFB als auch beim BFV klar zu
unserer sozialen Verantwortung, denn Fußball ist viel mehr als purer Sport. Neben den
Kernaufgaben der Organisation des Spielbetriebs und der Nachwuchsförderung ist
das soziale Engagement eine ganz bedeutende Säule unserer Arbeit. Das gilt auch
über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus. Seit über sieben Jahren
kooperiert der BFV mit dem Mosambikanischen Fußballverband. Wir haben bereits
einen Brunnen gebaut, einen Fußballplatz errichtet und unterstützen
Grundschulen in einem Armenviertel. Stichwort Zukunftsorientierung: Der
Bayerische Fußball-Verband hat jetzt eine eigene Sozialstiftung gegründet, mit
der wir tolle Projekte unserer Vereine noch effektiver unterstützen oder einem
Verein bei einem Unglück auch finanziell unter die Arme greifen können. Und
natürlich wird auch das Sozialprojekt Mosambik von der Stiftung unterstützt.
Was prägt Menschen und was
treibt sie an, sich ehrenamtlich im Fußball zu engagieren?
Dr. Rainer Koch: Über eine Million
Menschen sind Woche für Woche auf bayerischen Amateurfußballplätzen aktiv, egal,
ob als Zuschauer, Spieler, Schiedsrichter, Funktionäre oder Vereinsmitarbeiter.
Das zeigt den hohen Stellenwert des Fußballs in Bayern. Die Triebfeder der sich
engagierenden Menschen ist das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Mitgestaltung.
Gebraucht werden, mit sympathischen Menschen in Kontakt kommen, Geselligkeit,
persönliche Anerkennung aber auch altruistische Motive und der Wunsch, Spaß zu
haben, stehen im Vordergrund der Erwartungen an eine ehrenamtliche Tätigkeit.
Unterscheiden sich
Engagementmotive mit den Lebensaltern?
Dr. Rainer Koch: Unabhängig vom
Lebensalter stellt sich die Frage, ob jemand grundsätzlich bereit ist, sich
ehrenamtlich und sozial für die Gesellschaft zu engagieren. Ich glaube, dass
sich die Motive dann nicht wesentlich unterscheiden.
Wie können Sie Menschen
erreichen, die bislang nicht aktiv waren?
Dr. Rainer Koch: Wir sollten neben dem
klassischen mehrjährigen Ehrenamt auch ein neues, projektbezogenes Ehrenamt
etablieren, um die noch vorhandenen Potentialgruppen zu erreichen. Das sind
Jugendliche, Frauen, Berufsausscheider und Senioren, Aktive und Menschen mit
Migrationshintergrund. Übertragen wir unseren Jugendlichen attraktive Aufgaben wie
die Gestaltung von Vereinshomepages. Erkennen wir an, dass Frauen nicht nur im
Beruf, sondern auch im Verein Führungspositionen voll ausfüllen können und
übertragen wir Führungsämter im Verein vermehrt auf Frauen. Akzeptieren wir und
respektieren wir dabei, dass gerade junge Frauen oftmals durch familiäre und
berufliche Pflichten zeitlich eingeschränkt sind. Gehen wir auf Senioren zu und
bieten wir ihnen zeitlich befristete Projektaufgaben an. Die Aktiven können
zwar kein festes Ehrenamt übernehmen, aber bei bestimmten Events und Aktionen
unterstützen. Und auch die Menschen mit Migrationshintergrund sollten wir nicht
vergessen, denn sie sind ein bedeutender Teil der BFV-Fußballfamilie.
Wie
kann die Motivation des Einzelnen zur Übernahme eines Ehrenamts positiv
angeregt werden?
Dr. Rainer Koch: Mit einer Kultur der
Anerkennung und Wertschätzung. Ehrenamtliche Arbeit ist eine ganz besonders wertvolle
Leistung, die breit in der Gesellschaft verankert ist. Der Gesamtwert des
ehrenamtlichen Engagements in Bayern betrug nach einer Studie der Katholischen
Stiftungsfachschule allein im Jahr 2008 rund 7,2 Milliarden Euro. Ein Betrag,
den die Gemeinden selbst nicht leisten könnten, müssten sie die
gesellschaftlichen Funktionen und Aufgaben des Sports und der Vereine in
Eigenregie erfüllen. Das Ehrenamt ist also viel mehr als eine formale Betätigung. Beim Bayerischen
Fußball-Verband laufen alle Aktionen gebündelt unter dem Titel „Aktion
Ehrenamt“ zusammen. Ein ganzer Mitarbeiterstab mit Verbands-Ehrenamtsreferent Hermann
Güller an der Spitze unterstützt die bayerischen Vereine. Sie helfen bei der
Suche nach geeigneten Ehrenamtlichen, sensibilisieren für das Thema, rühren bei
der Presse die Werbetrommel und kümmern sich natürlich auch die Schulung und
Qualifizierung der Vereinsmitarbeiter. In tausenden bayerischen Fußballvereinen
gibt es inzwischen einen Vereinsehrenamtsbeauftragten. Einmal im Jahr stehen
die Ehrenamtlichen zudem bei Ehrenamtstagen im Mittelpunkt und bekommen die
breite Aufmerksamkeit, die ihre Arbeit auch verdient. Dem BFV ist wichtig,
Danke zu sagen.
Warum lohnt es sich,
kontinuierlich über ehrenamtliche Möglichkeiten im Fußball zu informieren?
Dr.
Rainer Koch: Die BFV-Fußballfamilie mit mehr als 4600 Vereinen und 1,5
Millionen Mitgliedern repräsentiert heute mit Sicherheit die bedeutendste
Freizeit- und Sportbewegung in Bayern. Aber darauf dürfen wir uns nicht
ausruhen. Wir müssen den Menschen zeigen, dass es was Wertvolles ist, sich für
den Amateurfußball zu engagieren und dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt,
sich einzubringen. Das Ehrenamt ist die Lebensader des Amateurfußballs.
Welche
Vorteile hat ehrenamtliches Engagement für die Gesellschaft?
LDr. Rainer Koch: Ehrenamtliches
Engagement ist wie schon angesprochen für eine funktionierende Gesellschaft
unverzichtbar. Wo die Gesellschaft schwächelt, da hat der Fußball seine größten
Stärken. Fußball ist die mit Abstand größte Integrationsbewegung in diesem
Land. Nirgendwo anders gelingt es, so viele Menschen aus unterschiedlichen
Milieus und Schichten zusammenzuführen. Fußball ist mehr als eine
90-minütige Episode. Tausende ehrenamtliche Mitarbeiter in den Vereinen prägen das Leben
in unseren Dörfern und Städten. Sie tragen wesentlich zur
Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder und Jugendlichen bei, vermitteln
soziale Kompetenzen und fördern die Chancengleichheit. Im Fußball wird niemand
ausgegrenzt. Vom Ehrenamt lebt unsere Gesellschaft.
Keine Altersgruppe ist ehrenamtlich
engagierter als die 65-Jährigen und Älteren. Gilt das auch für Fußballverbände?
Dr. Rainer Koch: Natürlich sind auch in
Fußballverbänden viele Menschen über 65 ehrenamtlich engagiert. Das ist auch
gut so, denn sie verfügen über einen riesigen Erfahrungsschatz und haben
bereits über Jahrzehnte tolle Arbeit geleistet. Davon können auch die jüngeren
Generationen profitieren. Ich denke aber, dass das Durchschnittalter deutlich
unter 65 Jahren liegt. Wir brauchen beide Gruppen, die erfahrenen Ehrenamtlichen
und der jüngeren Mitarbeiter, die immer wieder neue Ideen einbringen.
Vermitteln ehrenamtlich
Engagierte nicht ein gesellschaftliches Wertegerüst, von dem man in aktuellen Krisenzeiten glauben könnte, dass
es schon längst verloren gegangen ist?
Dr. Rainer Koch: Fakt ist, dass sich in
Deutschland auch in der Krise mehr Menschen als jemals zuvor sozial engagiert
haben. Mehr als zwei Drittel unserer Gesellschaft sind bereit, sich langfristig
oder bei Bedarf einzubringen. Das gilt nach wie vor auch für Fußballvereine.
Die Menschen von heute sind also keineswegs egoistischer als ihre Vorgänger. Besonders
in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die immer einhergehen mit sozialen
Problemen, sind ehrenamtlich engagierte Menschen als Vorbilder enorm wichtig. Fußball steht nach
wie vor für Werte wie Fairplay, Respekt, Gewaltfreiheit und Toleranz,
Solidarität mit den Schwächeren.
Wo sehen Sie Schwachstellen,
die beim ehrenamtlichen Engagement in Sportvereinen zu beseitigen sind?
Dr. Rainer Koch: Die Bereitschaft zu
langjähriger ehrenamtlicher Arbeit im Verein nimmt zweifellos ab. Grund dafür
ist die Flexibilisierung der Arbeitswelt und ein verändertes Freizeitverhalten
gerade der jungen Generation. In der Folge müssen immer weniger Menschen immer
mehr Aufgaben im Verein übernehmen und in Personalunion gleich zwei oder drei
Funktionen im Verein ausfüllen. Ein Großteil dieser Menschen investiert jeden
Monat bis zu 50 Stunden für seinen Verein. Sie stoßen irgendwann an ihre
Grenzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit dem Angebot zu
projektbezogener Mitarbeit und flexibler Zeiteinteilung die vorhandenen
Führungskräfte im Verein entlasten.
Woran lässt sich ablesen, ob
ehrenamtliches Engagement etwas erreicht hat? Woran erkennt man Wirkung?
Dr. Rainer Koch: Die Wirkung erkennt
man bei unseren Vereinen in ganz Bayern, aber sicher nicht oberflächlich an
Meisterschaften, vordergründigen Tabellenständen, flüchtigen Ergebnissen oder
der Spielklassenzugehörigkeit In den Vereinen wird engagierte Nachwuchsarbeit
geleistet, die Kinder und Jugendlichen haben eine sinnvolle
Freizeitbeschäftigung, sie bewegen sich und werden auch auf die zukünftigen
Aufgaben außerhalb des Fußballs vorbereitet. In dem Moment, wo Menschen zusammenkommen
und gemeinsam einer Tätigkeit nachgehen ist doch schon ganz viel erreicht. „Fußball
ist mehr als ein 1:0“, so hat es der langjährige DFB-Präsident Egidius Braun
einmal formuliert. Zentral ist, dass ehrenamtliches Engagement dazu beiträgt,
dass die Menschen eine Heimat haben und sich wohlfühlen.
Inwiefern
trägt ehrenamtliches Engagement zu einem sinnerfüllten Leben bei?
Dr. Rainer Koch: Ehrenamt ist eine
Chance für jeden einzelnen, sich einzumischen und seine Umwelt aktiv mitzugestalten.
Das schließt nicht nur Hilfe für andere und das Eintreten für das Gemeinwohl
ein, sondern bedeutet auch persönliche Weiterentwicklung. Spaß, Freude und
Begeisterung sind natürlich auch sinnstiftende Momente des Fußball-Ehrenamts.
Das Interview führte Dr. Alexandra Hildebrandt